Pensionskassenentschädigung auch bei Trennung
Unter neuem Scheidungsrecht sind die Pensionskassenguthaben zu teilen. Besteht ein sogenannter "Vorsorgefall" (Unfall, Pensionierung) oder ist aus einem anderen Grund eine Teilung nicht mehr möglich (Auswanderung), hat der andere Ehegatte einen Anspruch auf eine "angemessene Entschädigung" (Art. 124 ZGB). Das Gesetz sagt nichts darüber aus, wie diese Entschädigung zu berechnen ist. In einem kürzlich vom Bundesgericht entschiedenen Fall waren zwei Ehegatten 33 Jahre verheiratet, davon lebten sie 22 Jahre zusammen und 9 Jahre getrennt. Kurz vor der Scheidung erreichte der Mann das Pensionierungsalter, so dass eine hälftige Teilung der Guthaben nicht mehr möglich war, so dass eine "angemessene Entschädigung" zu leisten war.
Die kantonale Vorinstanz entschied, dass die Ehegattin als Hausfrau und Mutter für die Erziehung der drei Töchter zuständig gewesen war und selbst kaum eine Vorsorge aufbauen konnte. Aus diesem Grund rechtfertige sich eine hälftige Teilung der Summe, wie sie der Klägerin bei Teilung der Differenz zwischen den Austrittsleistungen zugestanden hätte. Der Ehemann wehrte sich gegen das Urteil, weil er ja 9 Jahre von seiner Frau getrennt gelebt hatte.
Das Bundesgericht schützte den Entscheid. Es hielt fest, dass für die Berechnung der Höhe des zu teilenden virtuellen Ausgangsbetrages wie bei Art. 122 ZGB (der die hälftige Teilung vorsieht) die gesamte Ehedauer massgeblich sei. Sodann habe sich die in einem zweiten Schritt festzusetzende angemessene Entschädigung für den Normalfall am gesetzgeberischen Konzept der grundsätzlichen hälftigen Teilung gemäss Art. 122 ZGB zu orientieren, soweit dies im konkreten Einzelfall möglich ist. Ein schematisches Vorgehen solle indes vermieden werden, ist doch die Bestimmung von Art. 124 ZGB durch die Verwendung des Begriffes der Angemessenheit bewusst offen gehalten. So sei namentlich den Vermögensverhältnissen nach Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung wie auch der sonstigen wirtschaftlichen Lage der Parteien nach der Scheidung gebührend Rechnung zu tragen. Es müssten bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung insbesondere Kriterien wie Eigenbedarf und Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sowie die Vorsorge(bedürfnisse) des Berechtigten mitberücksichtigt werden (BGE vom 14. Mai 2007, 5C.238/2006).
Umfrage zum Kindeswohl bei Scheidungen
Die meisten Kinder und Eltern sind zwei bis drei Jahre nach der Scheidung mit ihrem Leben „weitgehend zufrieden“. Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich erschieene Studie der Rechtsprofessorin Andrea Büchler von der Universität Zürich. Mängel ortet die Studie jedoch bei der rechtlichen Regelung. Sowohl Väter ohne Sorgerecht als auch Mütter mit gemeinsamer elterlicher Sorge sind unzufrieden mit der heutigen Situation. Weiter stellt die Studie fest, dass die nicht vom Scheidungsrichter angehört werden, obwohl dies im Gesetz zwingend vorgeschrieben ist. Nur gerade jedes zehnte Kind wird bei einer Scheidung angehört.
Ob eine Anhörung statt findet oder nicht, hängt weit gehend von der Einladungspraxis des Gerichts ab: Erfolgt die Einladung mit Terminvorschlag, kommt es in 67 Prozent der Fälle zu einer Anhörung. Liegt eine vorgefertigte Verzichtserklärung bei, bei welcher das Kind nur ankreuzen muss, ob es eine Anhörung wünscht oder nicht, machen nur acht Prozent der Kinder von ihrem Recht Gebrauch. Dies ist grundsätzlich zu bedauern. Denn die Kindesanhörung ist Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des Kindes. Anderseits ist nicht zu übersehen, dass diese Regelung der Effizienz dient. Gericht sind überlastet und Scheidungsrichter sind unsicher, in welcher Form und zu welchem Inhalt die Kinder angehört werden sollen, und welchem Zweck die Anhörung dienen soll. Viele Richter beklagen sich, dass es dazu klarere Regelungen brauche.
Die Mehrheit der Kinder zeigen zwei bis drei Jahre nach der Trennung keine bis geringe Anzeichen von Belastungen, zumindest gemäss den schriftlich befragten Eltern. 21 Prozent der Kinder zeigen deutliche Mühe mit der Trennung ihrer Eltern. Nicht nur offene, sondern vor allem auch verdeckte elterliche Konflikte belasten die Kinder. Die meisten Kinder verarbeiten jedoch die trennungsbedingten Veränderungen oder gewöhnen sich zumindest daran. Hilfreich sind dazu vor allem altersgerechte Informationen, klare Strukturen, transparente Regeln und Austauschmöglichkeiten mit anderen betroffenen Kindern. Nach der Scheidung verbringen die Kinder die Zeit mit ihrem Vater respektive mit ihrer Mutter meist getrennt – diese Aufteilung bewerten sie häufig positiv, da Umfang und Qualität oft besser ist als vor der Trennung der Eltern. Eine kleine Anzahl Kinder ist auch nach zwei bis drei Jahren emotional stark von der Scheidung betroffen, was sich auch in körperlichen Beschwerden äussert.
Bemerkenswert ist, dass rund ein Drittel der Ehegatten ein anderes Sorgerecht wünschen als das, das bei der Scheidung ausgesprochen wurde. Gegenwärtig wird bei einer Scheidung in der Regel die elterliche Sorge einem Elternteil, meist der Mutter, zugesprochen. Können sich die Eltern einigen, behalten sie das gemeinsame Sorgerecht auch nach der Scheidung. Diese Praxis entspricht dem Zusammenwirken von rechtlicher Sorge und konkreter Verantwortung für die Kinder im Alltag nicht. Fast ein Drittel der Befragten wünscht denn auch zwei bis drei Jahre nach der Scheidung einen Wechsel der Sorgerechtsform.
Für die Väter kann es zu einem Problem werden, wenn die Mutter die alleinige elterliche Sorge hat und sie nur zahlen und besuchen dürfen; in diesem Fall wollen 75 Prozent der Besuchsväter einen Sorgerechtswechsel (hingegen nur 10 Prozent der Mütter). Haben die Eltern sich auf die gemeinsame elterliche Sorge einigen können und leben sie eine traditionelle Aufgabenteilung (was meistens der Fall ist und bedeutet, dass die Mutter neben einer Teilzeitarbeit vorwiegend für die Kinder zuständig ist und der Mann voll erwerbstätig und nur zu bestimmten Zeiten mit den Kindern ist), so wünschen sich nur neun Prozent der Besuchsväter, aber 29 Prozent der Wohnmütter einen Wechsel zur alleinigen elterlichen Sorge. Der (Hinter-)Grund: Die Väter fühlen sich durch das gemeinsame Sorgerecht nicht von wesentlichen Entscheidungen ausgeschlossen, auch wenn sie relativ wenig Alltag mit den Kindern verbringen; die Mütter hingegen fühlen sich belastet durch die Herausforderungen des Alltags, die sie alleine bewältigen müssen, und möchten dann lieber auch bei wichtigen Entscheidungen autonom schalten und walten können.
Scheidungsanwalt: Konkubinat mitzuberücksichtigen beim Unterhaltsanspruch
Das Bundesgerichts entschied in einem Grundsatzurteil, dass bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts nach einer Scheidung auch die Dauer des der Ehe vorangegangenen Konkubinats mitberücksichtigt wird (BGE vom 7. August 2006, 5C.62/2005).
Das Bundesgericht hatte einen Fall zu beurteilen, in dem eine Genfer Künstlerin von 1982 bis 1990 mit einem Geschäftsmann im Konkubinat zusammenlebte, bevor die Beiden heirateten. Nach vier Jahren trennte sich das Ehepaar und wurde im Januar 2004 geschieden. Die Künstlerin hatte während der Dauer des Konkubinats ihre berufliche Aktivität reduziert, im Geschäft ihres Partners mitgearbeitet und zwei noch nicht volljährige Kinder aus einer vorangegangenen Ehe des Geschäftsmannes miterzogen. Unter diesen Umständen war die lange Dauer des Konkubinats und die eheähnliche Intensität des Zusammenlebens ein gewichtiger Faktor für den Unterhaltsanspruch der Ehefrau. (Nach der Praxis hätte die Ehefrau bei bloss vierjähriger Ehe keinen Unterhaltsanspruch, zumindest wenn beide Ehegatten eine vergleichbare finanzielle Einkommens- und Vermögenslage aufweisen.)
Teurer Abfall
Eine Gemeinde im Kanton Wallis verlangte von einem Weinhändler eine Kehrichtentsorgungsgebühr, die sich nach der Menge des gelagerten Weines bemass. Der Weinhändler beschwerte sich gegen diese Gebühr und machte geltend, die Menge des gelagerten Weines habe keinen oder einen nur geringen Zusammenhang zur Menge Abfall, den er produziere. Damit sei die Bemessung der Gebühr bundesrechtswidrig.
Das Bundesgericht hielt in seinem Entscheid vom 24. Juli 2006 fest, dass die Gebühr korrekt bemessen wurde (2P.63/2006). Zwar seien nach Art. 32a Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) die Kantone gehalten, die Entsorgung der Siedlungsabfälle durch verursachergerechte kostendeckende Gebühren zu finanzieren. Bei der Ausgestaltung der Abfallgebühr sind die Art und die Menge des übergebenen Abfalles zu berücksichtigen (Art. 32a Abs. 1 lit. a USG). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird damit aber nicht verlangt, dass die (periodischen) Kehrichtentsorgungsgebühren ausschliesslich proportional zur effektiv produzierten Menge des erzeugten Abfalles erhoben werden. Vorausgesetzt ist einzig, dass zwischen der Gebühr und dem Ausmass der Beanspruchung der Entsorgungseinrichtung ein gewisser Zusammenhang besteht. Die Abgabehöhe muss eine Abhängigkeit zur Abfallmenge aufweisen, was eine Schematisierung dieses Faktors aber nicht ausschliesst. Als mit dem Verursacherprinzip unvereinbar erweisen sich Regelungen, wonach sich die Kehrichtgebühr ausschliesslich proportional nach dem Gebäudeversicherungswert oder dem Frischwasserverbrauch bemisst, da es in diesen Fällen an einem hinreichend engen Zusammenhang zur mutmasslichen Abfallmenge fehlt (vgl. BGE 129 I 290 E. 3.2 S. 296 f.; Urteil 2P.266/2003 vom 5. März 2004; Urteil 2P.148/2001 vom 10. Oktober 2001, E. 3).
Entgegen der Auffassung des Weinhändlers bildete die eingekellerte Menge Traubengut ein grundsätzlich taugliches Kriterium zur Bestimmung der Menge des von einer Weinkellerei anfallenden Abfalles. Diese Grösse lässt unmittelbar auf die Produktion und somit zumindest indirekt auf die Abfallmenge derartiger Betriebe schliessen. Anders als bei (unzulässigen) starren Grössen wie dem Gebäudeversicherungswert, dem Gebäudevolumen oder der Betriebsfläche, berücksichtigt die Menge an eingekellertem Traubengut das Ausgangsmaterial des Produktionsprozesses der betreffenden Betriebe und steht damit in einer genügend Relation zur dabei anfallenden Abfallmenge. Die staatsrechtliche Beschwerde des Weinhändlers wurde abgewiesen.
Vater aus der Wohnung gekickt: Verlust der elterlichen Sorge?
Mit Revision des Scheidungsrechts wurde neu Art. 298a ZGB eingeführt, wonach die Vormundschaftsbehörde unverheirateten Eltern auf deren gemeinsamen Antrag die "gemeinsame elterliche Sorge" übertragen kann. In diesem Fall erhält der Vater die gleichen Rechte wie die Mutter im Verhältnis zum Kind. Ungeklärt war, ob diese gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben wird, wenn die Eltern miteinandern nicht mehr auskommen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.
Nach einem Entscheid des Bundesgerichts vom 27. Juni 2006 (5C.34/2006) setzt die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts voraus, dass eine Neuregelung wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse zum Wohl des Kindes geboten ist. Dabei genügt nicht jede Veränderung, insbesondere nicht jede Uneinigkeit der Eltern in Bezug auf Kinderbelange. Die gemeinsame elterliche Sorge kann nicht einfach gekündigt werden. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass die wesentlichen Grundlagen für eine gemeinsame Elternverantwortung nicht mehr vorhanden sind, so dass das Kindeswohl eine Zuweisung des Sorgerechts an einen Elternteil erfordert.
Im konkreten Fall musste der Vater auf Wunsch der Mutter die gemeinsame Wohnung verlassen. Es bestanden zwischen den Parteien Kommunikationsprobleme und es fehlte an einem Konfliktmanagement mit Bezug auf unterschiedliche Meinungen. So konnten sich die Parteien unter anderem nicht darüber einigen, wie ausgefallene Betreuungszeiten kompensiert werden sollten. Der Vater gab zu, dass es bei der Übergabe des Kindes zu Schwierigkeiten gekommen war. Das Bundesgericht schloss daraus, dass die Grundlagen für eine gemeinsame Elternverantwortung nicht mehr vorlagen, da die Parteien nicht in der Lage waren, im Interesse des Kindeswohls zusammenzuwirken. Damit wurde die elterliche Sorge wieder ausschliesslich der Mutter zugeteilt.
Scheidung: Anspruch des Ehegatten auf Anteil an Aktien?
Das Bundesgericht hatte kürzlich einen Fall zu beurteilen, in dem der CEO und 98%ige Aktionär eines Unternehmens sich von seiner langjährigen Gattin scheiden liess (BGE 131 III 559). Der Gatte hatte seine Aktien vor der Scheidung für rund CHF 3 Mio. verkauft. Seine damalige Aktienbeteiligung (und der daraus resultierende Erlös) stand in seinem Eigengut, da er sie während der Ehe unentgeltlich erworben hatte. Normalerweise werden Gegenstände des Eigenguts nicht mit dem anderen Gatten bei Auflösung des Güterstandes durch Scheidung geteilt. Die Ehefrau machte geltend, dass die Wertsteigerung der Aktien auf die während der Ehe geleistete Arbeit zurückzuführen war. Deshalb stelle die Wertsteigerung ein "Entgelt für die Arbeit" dar, was als Errungenschaft gilt (die bei der Scheidung zu teilen ist). Das Bundesgericht entschied, dass massgebend sei, ob der Ehegatte/CEO für seine Tätigkeit für die Aktiengesellschaft angemessen entlöhnt worden war. Wenn ja, stellt der beim Verkauf der Aktien einer Gesellschaft, die Eigengut des Ehemannes sind, realisierte Mehrwert keine Ersatzforderung der Errungenschaft gegenüber dem Eigengut dar. Das Bundesgericht kam anhand des Lohns, der Bonuses und der Dividenden des Ehegatten zum Schluss, dass der Ehegatte angemessen entlöhnt worden war. Damit hatte die Ehefrau keinen Anspruch auf den Mehrwert der Aktien des Mannes.
Der Entscheid ist für Scheidungen von Unternehmern und Unternehmerinnen von grosser Bedeutung. Bis anhin konnte sich ein Ehegatte, der Aktien in seinem Eigengut hatte, darauf verlassen, dass er diese (oder den Mehrwert daraus) nicht teilen musste. Von nun an wird ein Scheidungsgericht untersuchen müssen, ob der Ehegatte/CEO angemessen für seine Tätigkeit entschädigt wurde.